KRITIK: Dmitri Schostakowitschs Oper „Die Nase“ in Basel

KRITIK: Dmitri Schostakowitschs Oper „Die Nase“ in Basel

Theater Basel: Am Ende hüpfen sie immer noch. Immer wieder geht der Vorhang auf – und das gesamte Ensemble macht unter dem Jubel des Basler Publikums den Kosaken-Macarena. Auch Dirigent Clemens Heil und Regisseur Herbert Fritsch hopsen

Die unglaubliche motorische Energie von Dmitri Schostakowitschs Oper „Die Nase“, den ganzen Abend immer wieder neu befeuert vom grandios aufspielenden Sinfonieorchester Basel, wirkt nach. Michael Borth alias Platon Kusmitsch Kowaljow hat endlich seine Nase wieder und macht glückselig den Vortänzer. Die neueste Basler Produktion hat schon nach der Premiere Kultstatus.

Jeder Regisseur steht bei Schostakowitschs 1930 uraufgeführtem, aberwitzigem Opernerstling nach der gleichnamigen Novelle von Nikolai Gogol (1836) vor der Herausforderung, wie er den Verlust der Nase und die Jagd nach ihr szenisch löst. Am Theater Basel wird keiner Nase etwas zuleide getan. Beim Rasieren hält Barbier Iwan (in dieser und anderen Rollen extrem komisch: Karl-Heinz Brandt) ein Nichts in die Höhe – das abgeschnittene Körperteil muss man sich vorstellen, was bei der Präsenz und Präzision der Darsteller gar kein Problem ist. In Basel gibt es keinen Frisörsalon und keine Polizeiwache, keine Redakteursstube und keine Kirche. Für die schnellen Szenenwechsel sind einzig und alleine die Akteure zuständig. Eine bunte, ineinander geschachtelte Guckkastenbühne bildet den abstrakten Rahmen. Sie erinnert in ihrer Konstruktion an eine aufgeschnittene Matroschka, aber auch an ein kubistisches Kasperletheater, das seine Figuren aus den Zwischenwänden auf die Bühne wirft und nach dem Auftritt wieder einsaugt.

Mit den Halbmasken, Plastikfrisuren und den märchenhaften Kostümen von Victoria Behr schafft Regisseur Herbert Fritsch ganz bewusst eine künstliche, puppenhafte Welt, in der die Mimik überzeichnet und die Gestik übertrieben wird. Jeder Schritt ist choreographiert und perfekt auf die Musik abgestimmt. So ein Abend würde sich schnell im Leerlauf drehen, wenn nicht die Solisten und der Chor extreme Spielfreude entwickeln würden. Mit der Nase wurde dem armen Kowaljow, den Michael Borth, Ensemblemitglied am Freiburger Theater, mit seinem beweglichen, sonoren Bariton und seinen traurig verknoteten Beinen zu einer echten Sympathiefigur macht, nämlich auch seine Potenz genommen. Die entlaufene, als uniformierte Dragqueen verkleidete Nase (schön verrückt: Hubert Wild) wird zum Objekt der sexuellen Begierde. Als Kowaljow am Ende der verrückten Nasenverfolgung vom vitalen Wachtmeister (großartig: Peter Tantsits) seinen entlaufenen Kolben wiederbekommt, kehren seine Lebensgeister zurück. Im brillanten Ensemble sorgen Jasmin Etezadzadeh (Praskowja Ossipowna/Brezel-Verkäuferin/Pelageja Podtotschina) und Inna Fedorii (Sopransolo/Mutter/Tochter) für weitere gesangliche Höhepunkte. Der Chor (Leitung: Michael Clark) belebt in vielen Einzelrollen die Szenerie und macht die vielen Massenszenen zu virtuosen Hysterieanfällen. In diesem Tohuwabohu behält Dirigent Clemens Heil kühlen Kopf, gibt selbst im größten Durcheinander noch klare Einsätze und lässt beim Sinfonieorchester Basel die Rädchen perfekt ineinandergreifen, so dass dieses Spiel wie geschmiert über die Bühne geht.

Georg Rudiger / Foto: Thomas Aurin

INFOS/TICKETS: Nächste Vorstellungen: 13.3./ 20.3./ 24.3.2022. www.theater-basel.ch


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