Verkehrskollaps mit Fahrrad

VERKEHR: „Freiburg ist eine Fahrrad-Stadt. Mehr als 400 Kilometer Radnetz und Freiburgs fahrradbegeisterte Bevölkerung haben das Fahrrad zum beliebtesten Fortbewegungsmittel werden lassen:

Über ein Drittel der Verkehrswege innerhalb der Stadt werden per Rad zurückgelegt. Damit ist das Fahrrad eine tragende Säule im Freiburger Verkehrsgeschehen. Man stelle sich vor, die zigtausend Radler, die täglich in oder durch die Innenstadt fahren, würden alle aufs Auto umsteigen... Im Gegensatz zum motorisierten Verkehr verursacht Radfahren keine klimaerwärmenden Kohlendioxid-Emissionen, keinen stresserzeugenden Verkehrslärm oder nervenden Stau. Wer mit dem Rad fährt, ist schnell am Ziel, bewegt sich umweltbewusst und fördert seine Gesundheit.“ (Stadt Freiburg)

Fuß- und Radoffensive

Vor diesem Hintergrund hat das Garten- und Tiefbauamt das Maßnahmenpaket „Ausbau Fuß- und Radverkehr“ erstellt. Laut Doppelhaushalt vom März 2021 wird Freiburg in den nächsten beiden Jahren rund 16 Millionen Euro in den Fuß- und Radverkehr investieren. „Das ist das größte Ausbau-Programm für die aktiven Verkehrsmittel, das es jemals in Freiburg gegeben hat. Breitere und neue Radwege, sichere Kreuzungen, bessere Beleuchtung - das ist Verkehrswende ganz konkret. Stadt und Gemeinderat setzen damit ein Zeichen für nachhaltige Verkehrspolitik und klimafreundliche Mobilität.“ (Stadt Freiburg)

Rad ChaosDas gute Fahrrad?

Keine Frage, das Fahrrad hat seine guten Seiten. So ist das einfache Rad ökologisch weniger belastend für die Umwelt als andere Verkehrsmittel. Beim E-Bike oder Pedelec sieht das aber schon wieder anders aus. Glaubt man Umfragen, so nutzen mehr als 75% ihr Elektrofahrrad in der Freizeit und nicht z.B. als vollständigen Ersatz für das Auto, d.h. das Pedelec ist in erster Linie nur ein zusätzliches Verkehrsmittel mit umweltbelastenden Lithium-Ionen-Akku. Ein E-Bike das lediglich ein normales Fahrrad oder den Spaziergang ersetzt, hat keinen Umweltnutzen; - denn durch den Stromverbrauch des Akkus entsteht eine Zusatzbelastung der Umwelt. Und im Wald, auf gemütlichen Wanderwegen und auf Promenaden sind überdurchschnittlich schnelle Radfahrer störend für Fußgänger. Wie weiter unten noch gezeigt wird, entstehen mit dem Radverkehr neue Probleme. Das heißt – mit dem Fahrrad alleine lassen sich die zukünftigen Verkehrsprobleme nicht lösen.

Radverkehr – Verkehrsentlastung?

Wie andere Städte auch, so bemüht sich auch die Stadt Freiburg seit einigen Jahren verstärkt, mehr Menschen zum Radfahren zu bewegen, um die Straßen zu entlasten und die Schadstoffemissionen zu verringern. Das ist erst mal positiv! Aber - „Zigtausend Radler“, sind täglich in Freiburg unterwegs und entsprechend chaotisch und teils aggressiv wirkt diese Gruppe auf Fußgänger und ältere Menschen.
Die starke und gewollte Zunahme des Radverkehrs erfordert selbstverständlich verkehrspolitisches Handeln, denn die Verkehrswege waren ja in der Vergangenheit nicht auf diese neue Zusammensetzung der Verkehrsteilnehmer ausgerichtet. Aber, wenn alle umsteigen würden, dann hätten wir bald eine Situation, wie wir sie mit Autos haben. Überfüllte Straßen, Staus - eben Verkehrskollaps. Das heißt, die Politik muss die physikalischen Grenzen, die jedes System hat in ihr Konzept einbauen. In der Zukunft wird es wichtig sein, dass eine ausgewogene Mischung von Auto, Fahrrad, Skater, Roller, ÖPN etc. gefunden wird. Das Auto wird bleiben, alleine schon deswegen, weil nicht alle körperlich in der Lage sind Rad zu fahren und weil es aus räumlichen Gründen oft unverzichtbar ist. Allerdings sollte die Gesellschaft überlegen, ob wuchtige SUVs oder Hochgeschwindigkeits PKWs vor dem Hintergrund einer ökologischen Politik überhaupt noch produziert werden sollten.
Ein Fehler dürfte auch sein, dass die Stadt primär auf technische Verkehrslösungen setzt. Breitere und neue Radwege, sichere Kreuzungen, bessere Beleuchtung, bauliche Trennung von Auto- und Radverkehr – das alles sind gute und grundsätzlich zielführende Ansätze einer guten Verkehrspolitik. Aber, das darf nicht alles sein. Es fehlt der Faktor „Mensch“ bzw. der „Verkehrsteilnehmer“, mit seinem oft fehlerhaften Verhalten.
Das sieht auch Georg Herffs, Leiter der Verkehrsplanung in Freiburg so: „Am Ende des Tages kann die Infrastruktur auch nicht alles lösen.“ Daher appelliert er an die Radfahrer, bewusster zu fahren: „Wenn man die Radfahrer in Freiburg beobachtet, frage ich mich schon oft, wo das persönliche Risikobewusstsein ist.“ In vielen Fällen sei es leider so, dass der Fahrradfahrer der Unfallverursacher ist. Hier könnte man über eine bessere schulische Verkehrserziehung und einen Fahrrad Führerschein nachdenken.

Unfallstadt Nummer eins

Freiburg ist auch die Fahrradunfallstadt Nummer eins.Rad Gefahr In einem landesweiten Ranking stand Freiburg im ersten Halbjahr 2020 auf Platz eins. Gründe dafür sollen vor allem der Zuwachs von ungeübten Fahrrad- und Pedelec-Lenkenden, sowie waghalsige Fahrerei sein. Das relativiert die Aussage Fahrradfahren fördert die Gesundheit. Nach Aussagen des Polizeipräsidium Freiburg von 2021 waren die Unfallzahlen allgemein rückläufig, nur bei den Pedelecs nahmen sie zu. Aufgrund des höheren Tempos, der schwereren Bauweise sind Pedelecs prädestiniert "für Unfälle mit Personenschaden", so Polizeivizepräsident M. Zeiser.
1588 Fahrradunfälle zählte die Polizei in Freiburg und den Landkreisen Lörrach und Waldshut. 688 davon ereigneten sich in Freiburg. Im Vergleich zu 2020 sind das 40 weniger. Insgesamt stieg die Zahl der Verkehrsunfälle in Freiburg um sieben auf 2823. Die Gesamtzahl der Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen, fiel um 32 auf 1015. Die Zahl der Schwerverletzten sank um 30 auf 144. Steigende Unfallzahlen sind v.a. auf zunehmenden Radverkehr rückzuführen. Zudem gebe es keinen signifikanten Rückgang an Autos – mehr Verkehr, mehr Unfälle.

Die Stadt und Polizei leisten einiges für mehr Sicherheit. So meldet z.B. das polizeiliche System bereits bei fünf Unfällen mit Verletzten in drei Jahren an einem Ort einen Fehler, und kontaktiert das Garten- und Tiefbauamt (GuT). Eine dieser gefährlichen Stellen ist die Einmündung Greiffeneggring auf die B31. Dort gibt es sehr viele Unfälle mit Fahrradfahrenden, die häufig in Konflikt mit rechtsabbiegenden Autos geraten. Die Stelle steht im Fokus und wurde der Stadt als Unfallhäufung gemeldet.
Für mehr Verkehrssicherheit will die Polizei neben Prävention verstärkt auf Verkehrsüberwachung setzen. „Also der Bereich, der wehtut, wie Kontrollen und Bußgelder“, sagt Polizeisprecher Clark. „Zum Beispiel bei Rot über die Ampel fahren, Handy benutzen und so weiter.“ So soll das Gefahrenbewusstsein gestärkt werden und hier ist einiges im Argen wie die mehr als 70
Kontrollaktionen im Jahr 2021 zeigen. Dabei wurden rund 1400 Verkehrsverstöße geahndet, davon 571 Rotlichtfahrten, 345 Falschfahrende auf Radwegen, 153 Handy-Verstöße sowie 206 Verstöße von Kraftfahrzeugführern (zum Beispiel unberechtigte Nutzung der Fahrradstraße).

Unfall 3 7Radverkehrssicherheit in Freiburg

Unfallgegner bei Radverkehrsunfällen: Pkw dominieren mit einem Anteil von 52 % als Unfallgegner von Radfahrern eindeutig (Abb. 3-7). Häufig sind in Freiburg jedoch Alleinunfälle (22 %) und Unfälle mit anderen Radfahrern (12 %). 4,2 % der Unfälle in Freiburg ereigneten sich mit Lkw. An 14 Unfällen war in den 3 Jahren (2005-2007) eine Straßenbahn beteiligt, an 6 Unfällen ein Linienbus. Besonders schwere Folgen haben Unfälle mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bei denen bis zu 40 % der Unfälle schwere Personenschäden nach sich ziehen. Unfälle mit Pkw haben im Mittel die geringsten Folgen. (Abb. 3-8).

Hauptverursacher bei Radverkehrsunfällen: Insgesamt wurden 56 % aller Radfahrer polizeilicherseits als Hauptverursacher eines Unfalls eingestuft. (Incl. Alleinunfälle und Unfälle v. Radfahrern untereinander). Unfall 3 8Während bei Unfällen mit Fußgängern der Radfahrer zu fast 60 % als Hauptverursacher eingestuft wurde, sind es bei Unfällen mit Pkw nur 33 % , bei Unfällen mit Lkw nur bei 22 %. Diese Zahlen lassen insgesamt eine Tendenz erkennen, nach denen sich der „Stärkere“ im Verkehrsgeschehen durchsetzt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass auch die nicht als Hauptverursacher eingestuften Verkehrsteilnehmer oft Fehler begehen, die einen Unfall mit verursachen. (Abb. 3-9)

Unfallursachen: Bei den Ursachen der Unfälle, die die Radfahrerinnen und Radfahrer selbst verursachen, stehen an erster Stelle Fahrfehler (Unfallursache „unangepasste Geschwindigkeit“, Taschen am Lenker, Straßenbahnschienen, Alkoholkonsum usw.) und Fehler bei der Fahrbahnbenutzung (Benutzung von Radwegen entgegen der Fahrtrichtung, Benutzung von Gehwegen usw.).
Die Unfallanalyse zeigt oft, dass Unfälle auch auf gut Unfall 3 9markierten Fahrradspuren passieren, d.h. Radwege auf Straßen bieten keineswegs absolute Sicherheit. Helfen bzw. das Unfallrisiko mindern kann zwar eine bauliche Trennung von Auto- und Radverkehr. Aber Radfahrer müssen auch ihr Fahrverhalten überdenken. Viele Unfälle würden nicht passieren, wenn sich Radfahrer umsichtiger verhalten würden. (Quelle: Gutachten Stadtverwaltung Freiburg v. 2008)

Der Aspekt „Fahrverhalten“ bei Radlern wird oft nicht ausreichend berücksichtigt. So auch, wenn sich Frank Borsch, (Pressesprecher des ADFC in Freiburg) wünscht : „Unsere Infrastruktur ist immer noch zu stark auf das Auto ausgerichtet, während es in der Stadt rasant an Wichtigkeit verliert. Entsprechend müssen wir den Raum neu aufteilen.“ Um die Radelnden in Zukunft noch besser zu schützen, wünscht er sich Radwege in ausreichender Breite, getrennt von Fußwegen und Fahrradstraßen. „Ganz wichtig sind aber auch Abbiegeassistenten bei Lkws“, fordert Borsch. „Der Laster, der beim Rechtsabbiegen ein Rad übersieht, das wird sonst immer wieder vorkommen, oft mit tödlichen Folgen.“ Hier könne man mit einfachen technischen Mitteln viele Leben retten. Dagegen kann man wenig sagen. Nur vielleicht das eine – ohne den Radler-Kopf werden die tollsten Veränderungen wenig bringen, d.h. gelegentlich wäre ein Appell an die Gehirne der Verkehrsteilnehmer auch mal sinnvoll.

 

Zukünftiges

Mit zunehmendem Radverkehr und gleichbleibender Autozahl wird es weiter steigende Unfallzahlen geben. Mehr Verkehr – mehr Unfälle. Daher sollte der Staat eine privateRad Kampf Haftpflichtversicherung als eine Pflichtversicherung einführen. Denn - wer einem Dritten versehentlich einen Schaden zufügt, muss dafür in voller Höhe aufkommen ( BGB § 823) Der Schuldige kann im schlimmsten Fall mit Haus, Grundbesitz sowie seinem gesamten Vermögen haften. Trotz dieses Risikos verzichten gut 17 Prozent der Haushalte in Deutschland auf diesen Schutz. Bei den Singles sind es sogar 27 Prozent. (Stat. Bundesamt, 2018) Eine verpflichtende Haftpflichtversicherung bringt für alle Verkehrsteilnehmer ein mehr an finanzieller Sicherheit (Rente u.ä.), wenn schwere Unfallfolgen (Rollstuhl, Tod, Hohe Sachschäden) vorliegen.
Weiter sollte eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder eingeführt werden. Dann wären Radfahrer bei Unfällen, unerlaubtem Fahren auf dem Gehweg, Aggressionen u.ä. leichter identifizierbar. Über das Kennzeichen könnte der Unfallverursacher leichter ermittelt werden.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) lehnen das natürlich ab. Sie sehen in solchen Maßnahmen neue bürokratische Hürden, die für das Ziel mehr Fahrradfahrer kontraproduktiv wären. Ist das wirklich so eine Zumutung?
Gut wäre natürlich, wenn man Wege zu weniger Verkehr finden könnte. Konzepte für eine Verkehrssteuerung mit dem Ziel, Verkehr zu begrenzen, fehlen aber noch. Wichtig ist auch, dass bei dem Hype und Einsatz für die Bedürfnisse der Radler, andere Verkehrsteilnehmer nicht benachteiligt werden. Sonst kann es wie z.B. in Dresden zu Anwohner-Protesten und unguter Stimmung kommen. Die dortige Einrichtung der ersten Fahrradstraße in Dresden im September 2021 führte dazu, dass Fußgänger von Radlern ins Gras gedrängt und Anwohner nicht mehr per Auto zu ihren Wohnungen kamen. Solche Konfrontationen dürfen nicht entstehen und sind auch vermeidbar, wenn Verkehrsplanung auf bewährten Prinzipien wie Gleichbehandlung, Miteinander und gegenseitigen Vorsicht und Rücksichtnahme aufbaut.

Redaktion: Günter Lorenz


Drucken   E-Mail